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Die ganze Welt trug einst Hüte aus Wels

Veröffentlicht am

von Kurt Guggenbichler

Kürzlich war ich wieder einmal im ehemaligen Blum-Gelände unterwegs, weil man dort das 150jährige Bestehen der alten Hutfabrik feierte.

Diese hatte ihren Betrieb 1935 eingestellt. Davor hatte man in den ehemaligen Produktionsräumen 61 Jahre lang hochmodische Kopfbedeckungen erzeugt und diese in fast alle Länder der Welt exportiert. Die modernen und qualitativ hochwertige Blum-Hüte aus Wels waren damals überall stark gefragt.

Die von Carl Blum (Bildmitte) erbaute Hutfabrik in ihren besten Jahren (Bild rechts) mit ihrem Hüte-Lager (Bild links). | Fotos: Stadtarchiv

In seinen besten Zeiten hat der Welser Velourhuterzeuger Carl Blum ständige Filialen in Amsterdam, Berlin, London, Paris und Wien unterhalten – bis die Weltwirtschaftskrise zu Beginn der 1930er-Jahre auch dem zweitgrößten Industriebetrieb von Wels (260 Beschäftigte) den Garaus machte. Auch die Adler-Lederfabrik und andere Welser Firmen Pleite gingen damals Pleite.
Über den Niedergang seines Unternehmens kränkte sich der Fabrikbesitzer Carl Blum so sehr, dass er sich das Leben nahm. Dessen Tochter Roberta Blum, die auch Gesellschafterin des Unternehmens war, musste dann den Betrieb liquidieren, wobei es ihr gelang, das Anwesen in ihrem Besitz zu behalten.

Stadtarchivdirektor Michael Kitzmantel nach seinem Referat über die Fabrikgeschichte im Blum-Areal. | Foto: Guggenbichler

Verpflegungslager der Wehrmacht

Lange Zeit konnte sich Roberta freilich nicht an dem ihr verbliebenen Besitz erfreuen, denn schon 1938 streckte die Wehrmacht die Hände nach dem zwei Hektar großen Areal aus, um dort ein Verpflegungslager einzurichten. Man unterbreitete der Inhaberin ein Kaufangebot, das sie zunächst jedoch ablehnte. Sie wollte nicht verkaufen, doch die Behörden insistierten weiter und als man ihr mit Enteignung drohte, blieb ihr schließlich nichts Anderes übrig, als sich notgedrungen von ihrem Besitz zu trennen. Sie musste ihn weit unter seinem tatsächlichen Verkehrswert hergeben, konnte ihre Villa aber behalten.
Von dort aus sah Roberta Blum dann zu, wie das in Stuttgart ansässige Barackenbauunternehmen Karl Kübler auf dem der Fabrik gegenüberliegenden Wiesengrundstück an der Wiesenstraße im Auftrag der Wehrmacht ein Lager für Bauarbeiter errichtete, die ab 1940 zwei große Getreidespeicher an die Südseite des Blum-Areals klotzen werden. Am Bau dieser beiden monumentalen Speichergebäude sollen auch die beiden lokalen Unternehmen Gerstl und Switelsky beteiligt gewesen sein.
Die beiden Speicher-Ungetüme, die nach dem Krieg das Lagerhaus nutzte und die lange Zeit das Bild in diesem Viertel prägten, wurden erst kürzlich abgerissen, aber die alte Hutfabrik hat die Zeiten bis heute gut überlebt. 1954 hatte sich Roberta Blum ihren einstmals abgepressten Besitz vor Gericht zurückerstritten und diesen später der Kirche (Caritas) vererbt.
Mittlerweile hat sich in den Mauern der alten Huterzeugung eine bunte Mischung von Betrieben und sozialen Einrichtungen eingenistet, darunter nicht nur ein IT-Unternehmen und ein Frauengesundheitszentrum, sondern auch die Betriebsseelsorge, ein kirchliches Jugendzentrum und natürlich die Caritas wie auch eine Rauchfangkehrer-Firma.

Attraktiver Spielplatz für Nachkriegskinder

Dem Besucher präsentiert sich das Blum-Areal mit seinen alten Gebäuden mittlerweile nicht nur hübsch renoviert, sondern auch technisch modernisiert und einige Räumen stehen noch leer und warten auf Nutzer, wie ich bei meinem Rundgang bemerkte. Ich kenne dieses Anwesen auch wie meine Westentasche, weil es in meiner Kindheit eines meiner Spielplätze von mir und meinen Schulkameraden war.

Jux-Fotos im Blum-Areal: Unterwegs-Autor Kurt Guggenbichler in den 1960er-Jahren vor den Fässern der Firma Gallee. | Foto: Barthou

Am östlichen Ende des alten Fabrikgeländes wohnte mein Freund Axel Barthou, der mit seinen Eltern und Großeltern im Haus Knorrstraße 3 lebte, wo ich viele Jahre lang aus- und einging. Mit Axel und mir trieb sich dort auch der heutige Wels-Report-Chefredakteur Helmut Moser herum, wie auch Erich Kleibel, der spätere Justitiar der Oberbank und auch der spätere Vizebürgermeister Bernhard Wieser, mit dem wir im jugendlichen Alter auf dem Blumgelände einen kurzweiligen Schmalfilm drehten. Damals gab es noch keine Handys, aber immerhin schon Super-8-Filmkameras. Am westlichen Ende dieses Areals war die Autoreparaturwerkstätte Pichler angesiedelt. Der Sohn des Firmeninhabers hieß Horst und gehörte ebenfalls zu unserem Bekanntenkreis aus Kindertagen. Später verkaufte Horst Autos in Wels, darunter auch Ferraris.
Schon in den 1950er- und 1960er-Jahren existierte eine bunte Firmenmischung in der ehemaligen Hutfabrik und dem einstigen Heeresverpflegungslager, in dem in meinen Kindertagen auch der Pharmaziegroßändler Gallee ein Lager hatte. Dieses konnte man schon von weitem riechen, weil darin Arzneien und Tinkturen gelagert waren, die einen ganz speziellen Duft verströmten. Auch ein ehemaliger Angestellter des Unternehmens erinnert sich noch gut daran.

Der ehemalige Gallee-Mitarbeiter Werner Giglleitner vor einer erhaltenen Originaltür seines ehemaligen Lagers. | Foto Guggenbichler

Ich traf Werner Giglleitner bei meinem Streifzug in den Räumen seines früheren Arbeitsplatzes, wo er einstmals der Lagerverwalter über alle flüssigen Stoffe war. Heute ist der Mann längst in Pension, doch als er noch beim Gallee im Blum-Gelände arbeitete, entdeckte er dort eines Tages liegengebliebenes Verbandmaterial und Laborgläser aus alten Wehrmachtsbeständen, die er als Souvenir bis heute verwahrt. Gegenüber vom Gallee-Lager war in meinen Teemagertagen auch die Firma Saatbau einquartiert und die Firma Wertpräsent lagerte dort diverse Werbemittel.
Auf der Freifläche im östlichen Teil des Blum-Geländes wurden zu Beginn der 1960er-Jahre von Firma Epple & Buxbaum neue Mähdräscher auf der Wiese geparkt, die meine Freunde und ich als Kulisse für ein paar ausgefallene Privat-Fotos nutzten. Auch die Fässer der Firma Gallee hatten als Hintergrund für ein paar originelle Bilder herhalten müssen.

Neues Leben in renoviertem Gemäuer

Im westlichen Areal der heutigen Brache vor der alten Fabrik gab es auch einen kleinen Frachtenbahnhof der Intercontinentale-Spedition, der an einem Gleisabzweiger der heute nicht mehr existierenden Industriebahn lag.
Das alles ist heute weg, existiert nicht mehr, lebt nur noch in meiner Erinnerung wie auch im Gedächtnis von Welsern meiner Generation fort. Was auf diesem Areal zwischen Knorrstraße, Blumstraße, Mühlbach und Wiesenstraße heute noch steht und sichtbar ist, ist der Rest der alten und wieder mit neuem Leben erfüllte Fabrik wie auch das ehemaligen Wohnhaus meines besten Freundes, das seine Eltern schon beizeiten verkauften und das heute eine Art von diskretem „Laufhaus“-Klub ist.

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