von Kurt Guggenbichler
Wie so oft in den letzten Jahren war ich kürzlich wieder in der fast einen Kilometer langen Maximilianstraße unterwegs. Sie war das vielbegangenen Pflaster meiner Kindheit. Ich war in der Nähe aufgewachsen.
Vom „Geisterhaus“ meiner Kindheit (links) ist heute nichts mehr zu sehen und auch die Greißlerei im gegenüberliegenden Haus Maximilianstraße 14 hinterließ keine Spuren. | Fotos: Guggenbichler
An der Greißlerei Felbermayr, die sich im Erdgeschoss des Wohnhauses des Tigerwerk-Fabriksbesitzers Berghofer an der Ecke Maximilian-Straße/Alois Auer-Straße befand, kam ich auf meinem Weg zur Volksschule fast täglich daran vorbei und auch meine Mutter hat dort sehr gern eingekauft.
Als waghalsiger Fallschirmsprungsportler hat der Welser Dentist Erich Felbermayr in den 1960er-Jahren Schlagzeilen gemacht. | Fotos: Loderbauer
Greißler-Sohn war bekannter Fallschirmspringer
Der Sohn der Kaufmannsfamilie war nicht nur der Taufpate meines jüngeren Bruders, sondern auch ein bekannter Welser, der 1973 bei einem Flugzeugabsturz als erst 40-Jähriger ums Leben kam. Davor hatte sich der Dentist Erich Felbermayr, der im Haus Maximilianstraße 6 seine Ordination betrieb, als waghalsiger Fallschirmsprungsportler europaweit einen Namen gemacht. Am 24. Oktober 1967 war er im Silvrettagebiet mit Skieren an den Füßen auf einen Gletscher gesprungen, hatte sich bei der Landung allerdings leicht verletzt. Sonst wäre er nach dem Sprung zu Tal gewedelt.
Das ist nun mehr als 50 Jahre her. Auch das Geschäft seiner Eltern im Haus Maximilianstraße Nr. 14 ist nun schon lang Geschichte. Das gegenübergelegene Anwesen, das jahrzehntelang ein Ruinengrundstück war, könnte auch schon längst Geschichte sein, wäre das Haus in den 1980er-Jahren nicht instandgesetzt und das Grundstück neu bebaut worden.
Dabei hatte es noch in meiner Kinder- und Teenagertagen nicht so ausgesehen, als gäbe es für das schwer zerstörte Villenareal jemals wieder eine Zukunft. Ich hatte in der ramponierten Privatparzelle eigentlich immer nur den natürlichen Verfall eines alten Hauses gesehen, dessen Schicksal besiegelt zu sein schien.
Volltreffer löschte Familie aus
Denn In den 1950er- und 1960er-Jahren war die einstige Villa zum größten Teil nur noch eine Ruine, in die die Natur schon sehr stark eingewachsen war. Deshalb war dieses Areal ein idealer Spielplatz für uns Buben, auch wenn uns dabei nicht immer ganz wohl in unserer Haut war. Meine Schulfreunde und ich nannten diese Villa immer nur Geisterhaus. Wagemutig kletterten wir über den Zaun und tauchten ein in das von Schutt übersäte und wild verwachsene Grundstück mit seiner trichterförmigen Bodenvertiefung und kamen uns dabei vor wie Tarzan im afrikanischen Dschungel.
Als mich meine Mutter dort einmal beim unbedarften Herumtollen aufstöberte, nachdem sie gerade vom Einkaufen gekommen war, nahm sie mich zur Seite und erklärte mir, dass dieses zertrümmerte Anwesen das Resultat eines Bombenvolltreffers vom 17. Dezember 1944 sei. Dabei war fast die ganze Familie ums Leben gekommen, nur eine einzige Angehörige hatte überlebt, hörte ich.
Schwer traumatisiert von dem furchtbaren Ereignis soll diese Überlebende in den einzigen zwei heil gebliebenen Zimmern der Hausruine wohnen geblieben sein und manchmal konnte man ihren Schatten hinter den Fenstern erspähen und vorbeihuschen sehen. Die Frau hatte sich Zeit ihres Lebens geweigert, hieß es, die zerbombte Villa reparieren zu lassen, und erinnerte damit die Welser dann 40 Jahre lang nicht nur an ihr ganz persönliches Trauma, sondern auch an die Bombenangriffe auf Wels.
Auf Wels fielen fast 2,5 Mio. Kilogramm Bomben
Diese Bombardements durch amerikanische Flugzeuge hatten vor genau 80 Jahren begonnen, im vorletzten Jahr des Krieges, nämlich zu Pfingsten 1944. Bei den nachfolgenden zehn Angriffen bis Mai 1945 werden die Amis 2.338.750 Kilogramm Bomben über der Stadt abwerfen. Würde man all diese Bomben in einen Eisenbahnzug verladen, rechnete die „Welser Zeitung“ zehn Jahre nach Kriegsende ihren Lesern vor, hätte man dafür 234 Waggons benötigt.
Die größten Bombenschäden in der Stadt waren bereits bis Mitte der 1950-Jahre weitgehend repariert. Der Rest wurde dann noch peu à peu instandgesetzt und die endgültig letzten zwei Bombenlücken, die die Welser schon gar nicht mehr als solche wahrgenommen haben, sollten sogar erst ab den 2020er-Jahren geschlossen werden.
Zum einen handelte es sich dabei um die Lücke neben dem Haus der Baumeisterfamilie Weixelbaumer an der Ringstraße. An dieser Brache waren die Welser jahrelang entlangspaziert, wenn sie den Biergarten im Gösser-Bräu aufsuchten. Zum anderen war da auch noch die freie Fläche hinter dem Teppichgeschäft der Firma Sonnleitner, der so genannte Freyung-Parkplatz. Auch dieses Areal war das Resultat eines Bombardements und diese allerletzte Brache wird auch schon bald aus dem Stadtbild getilgt sein.
Ich kamm 1960 als 9-jähriger nach Wels. Wir wohnten in der Schauerstraße (16) und das war eine gute Gegend für uns Kinder. Maximilianstraße von Magazin- bis Bahnhofstraße. Schauerstraße von Herrengasse (mit Gaspark) bis zum Bahnhof. Maximilian- sowie Schauerstraße von Bäumen gesäumt. 2 Greissler, 2 Wirtshäuser, Friseur, Hauptschule, Gymnasium, Hutmacherei ( im Keller vom Charwat-Haus ) und die vielen schönen Villen mit tollen Gärten . . .
Danke für den Anstoß zur Zeitreise !