Sie war noch nie so wertvoll wie heute

In den so genannten Leitmedien unseres Landes wird schon geraume Weile – offen oder auch unterschwellig – Stimmung gegen die Beibehaltung unserer Neutralität gemacht.
In einem Gespräch mit der Zeitung „Die Presse“ erklärte der ehemalige Bundesheer Brigadier Walter Feichtinger, dass unser Neutralitätsgehabe zusehends auf Unverständnis stoße, wobei er sich vermutlich auf die EU-Länder bezog. Aber sollten wir die Neutralität deshalb über Bord werfen?
Diese Antwort ließ auch Feichtinger offen, der an der Landesverteidigungsakademie zu Themen der Friedenssicherung und des Konfliktmanagements lehrte. Auf die Frage des „Presse“-Journalisten, ob sich Österreich in die europäischen Verteidigungsbemühungen einbringen sollte, erklärte Feichtinger, dass man dafür zunächst einmal folgendes klären müsse: Wo befinden wir uns, was bedroht uns, was können wir dagegen tun?“ Die beruhigende Erkenntnis des Strategen: Er glaube nicht, dass Moskau derzeit imstande wäre, die EU anzugreifen.

Um aber gleich wieder zu relativieren: Darauf verlassen sollte man sich nicht, zumal Österreich – wie der Interviewte sagte – keine Insel der Seligen mehr sei. Tatsächlich? Net bös‘ sein, Herr Brigadier, aber eine Insel der Seligen war unser Land nie. Dennoch war seine Bevölkerung aber einmal mehrheitlich bereit, die Neutralität Österreichs auch zu verteidigen.
Ich weiß schon: Jüngsten Umfragen zufolge sollen heute davon nur noch 33 Prozent der Bevölkerung begeistert und auch willens sein dies zu tun. Feichtinger glaubt den Grund dafür zu kennen: „Die Neutralität schützt uns nicht mehr so, wie wir es gerne hätten.“
Aber woher will er das so genau wissen? frage ich mich. Weil die Bevölkerung diese frühere Entschlossenheit, im Ernstfall zur Waffe zu greifen, nicht mehr glaubhaft vermittelt? Dafür gibt es freilich triftige Gründe, um die sich die Politik schon längst hätte kümmern können und müssen. Doch obsolet ist die Neutralität für unser Land deshalb noch lange nicht!
Das denkt beispielsweise auch „News“-Kulturchef Heinz Sichrovsky. „Was immer es nun mit der Neutralität völkerrechtlich auf sich hat“, schreibt er, „sie hat sich bewährt und ist eine Chance davonzukommen.“ Allerdings nicht, wenn nahezu täglich ein anderer Experte auf dieser Welt erklärt, dass die Neutralität überholt oder ein Relikt von gestern sei, behaupte ich.
Hätte sich die Politik nicht schon vor Jahren der Illusion vom immerwährenden Frieden hingegeben und stattdessen etwas für die staats- und wehrpolitische Bildung des Nachwuchses getan, stünde unser Volk heute entschlossener und geeinter da. Vielleicht wäre es dann auch um die Tauglichkeit der Söhne im Land der Berge und der Ströme besser bestellt.
Man hätte sich in Sachen Neutralitätsverständnis und Neutralitätsbekenntnis durchaus am einstigen Bausparkassenslogan orientieren können, nämlich „rechtzeitig d’rauf zu schauen, dass man es hat, wenn man’s braucht.“ Doch es ist noch immer nicht zu spät, um wieder ein stärkeres Bewusstsein für unsere Neutralität zu schaffen. Denn auch wenn uns immer mehr unsere Neutralität madig machen wollen, so war sie doch nie so wertvoll wie heute –um neuerlich einen früheren Werbeslogan zu strapazieren.