Auch ein Welser will nun klagen
Von Kurt Guggenbichler
Auf Dauer wird der VW-Konzern ein Grundsatzurteil im Abgasskandal nicht verhindern können. Juristen glauben, dies sei nur noch eine Frage der Zeit. Dabei droht den Autobauern in der Elektrosparte bereits neue Ungemach.
„Ich werde klagen“ betont ein im Raum Wels beheimateter Autofahrer, der – wie er meint – die viel zu geringe Reichweite seines VW-Elektroautos ID.4 beanstandet. Denn im Prospekt für den Wagen sei ein viel höherer Einsatzradius angegeben.
Damit kommt neuer Ärger auf den Autokonzern zu, der schon geraume Weile nicht mehr aus den Schlagzeilen kommt. Schuld daran ist der Wolfsburger Autobauer selbst, der durch den von ihm verursachten Abgasskandal im Verbrenner-Segment in vielen Prozessen mit verärgerten Kunden steckt.
Wir erinnern uns: Der VW-Abgasskandal, auch bekannt als “Dieselgate”, entstand, weil die Volkswagen AG eine illegale Abschalteinrichtung in der Motorsteuerung ihrer Diesel-Fahrzeuge installierte, um damit die gesetzlich vorgeschriebenen Abgasgrenzwerte einhalten zu können. Allerdings flog die Manipulation auf und die getäuschten Besitzer von Fahrzeugen mit Abschalteinrichtung waren schwer verärgert und pochen auf Schadenersatz.
Um diesen zu erhalten, müssen sie meist bis zum Obersten Gerichtshof prozessieren, weil sich der VW-Konzern mit der Wiedergutmachung bis heute ziert. Nur im Fall eines Innviertler Geschädigten hat der Autoriese jüngst schon beim Oberlandesgericht Linz eingelenkt und nimmt den Wagen des Mannes jetzt zurück. Dabei handelt es sich um einen VW-Golf (Baujahr 2014), für den dieser einst 21.800 Euro bezahlte.
Dieses Auto hatte zwar nicht mehr den ursprünglich getricksten Skandalmotor EA 189 unter der Haube, sondern schon das Nachfolgemodell EA 288, welches allerdings ebenfalls über eine unzulässige Abschalteinrichtung verfügt, wie der Anwalt des Innviertler Klägers gegenüber der „Kronen Zeitung“ erklärte.
Heute ist der Wagen seines Mandanten nur noch 7000 Euro wert, doch VW kauft ihn um 14.000 Euro zurück. Dies geschah wohl nicht aus Einsicht oder Großzügigkeit, vermuten Fachleute, sondern aus rein „prozessökonomischen Überlegungen“ wie es im Juristendeutsch so schön heißt. Konsequenterweise müssten nun eigentlich alle manipulierten Fahrzeuge entweder zurückgekauft oder nachgerüstet werden.
Aus „prozessökonomischen Gründen“ hat sich der VW-Konzern mit einem anderen österreichischen Kläger jetzt ebenfalls noch schnell g verglichen, um ein Grundsatzurteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) – dort war der Streit mittlerweile gelandet – zu verhindern. Der Vergleich sieht nun so aus: Der Kläger darf das Auto behalten und erhält obendrein noch 65.000 Euro – mehr als er einst für den Wagen bezahlte.
Durch diesen Vergleich gibt es nun kein EuGH-Urteil und die vielen anderen Geschädigten, die noch auf die Wiedergutmachung warten, müssen nun weiter durch alle Instanzen klagen. Auch ihnen wird der VW-Konzern wohl irgendwann ein individuelles Angebot machen, dass sie vermutlich nicht ablehnen werden. Doch falls nur einer auf den angebotenen Vergleich pfeift, und lieber das Gerichtsurteil abwartet, wird das den Wolfsburgern teuer zu stehen kommen. Davor hat der Autobauer auch große Angst, glauben österreichische Juristen landauf landab, unter ihnen auch der Rechtsanwalt Michael Poduschka. Doch auf Dauer wird VW ein Grundsatzurteil nicht verhindern können.
In Deutschland haben die beiden führenden Verbraucheranwälte Dr. Marco Rogert und Tobias Ulbrich aus Düsseldorf schon beizeiten erfolgreich eine Musterfeststellungsklage gegen Volkswagen eingebracht und in Kooperation mit der Verbraucherzentrale und Experten für 260.000 betrogene VW-Kunden einen Vergleich von über 830 Mio. Euro erwirkt – ein bislang einzigartiger Erfolg in der deutschen Rechtsgeschichte, heißt es.
So gesehen wird auch der neue Welser Kläger gegen den VW-Konzern gut Chancen haben, seinen Rechtsanspruch auf die angegebene Reichweite für sein Auto zu erstreiten. Viel Geduld wird er dafür allerdings schon brauchen.