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Wels löst römisch-chinesisches Archäologie-Rätsel

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Rund 6.000 Kilometer musste in der Antike ein Messer vom Handelszentrum Niya (heute autonome Region Xinjang, Volksrepublik China) in das römische Ovilava „gereist“ sein. Dank wissenschaftlicher Unterstützung aus Deutschland steht nun fest: Das Ausstellungsstück des Stadtmuseums Minoriten ist das bisher am weitesten westlich gefundene aus dem China der Römerzeit.

Bild: Stadt Wels

Nach 105 Jahren entziffert
Gefunden worden war der Messergriff – denn nur dieser ist noch erhalten – bereits 1918 bei einer Grabung knapp nördlich der heutigen Salzburger Straße zwischen der Hamerling- und der Vogelweiderstraße.

Damals legten Archäologen ein Stück einer antiken Ost-West-Straße und südlich anschließend Reste von Gebäuden frei. Eines davon wurde als Metallwerkstätte interpretiert. Die Fundstücke gehören vorwiegend dem 2. Jahrhundert nach Christus an.

Bild: Stadt Wels

Von Anfang an richtig lagen die Experten mit der Identifizierung des Materials:
Das Fundstück besteht tatsächlich aus Elfenbein. Auch über die Tatsache, dass die eingeritzten Schriftzeichen keineswegs römisch seien, bestand Einigkeit.

Über die tatsächliche Herkunft gab es jedoch nur Vermutungen:
Ferdinand Wiesinger – damals leitender Beamter der Stadtverwaltung und Stadtarchäologe in einer Person und heute Namensgeber eines Straßenzuges im Stadtteil Vogelweide – vermutete den orientalisch-ägyptischen Bereich, Fachkollegen hingegen tippten auf einen mittelpersischen Ursprung in Zusammenhang mit dem Mithraskult.

Doch weit gefehlt! Denn nun steht fest, dass der Welser Messergriff mit ziemlicher Sicherheit aus Niya stammt. Dieses einst bedeutende Handelszentrum lag am südlichen Zweig der Seidenstraße im westlichen Teil der Taklamakan-Wüste und ging in den ersten Jahrhunderten nach Christus aufgrund von Wassermangel unter. Heute liegt das Gebiet in der Volksrepublik China, genauer gesagt im Regierungsbezirk Hotan in der autonomen Region Xinjang (heute des öfteren in den Schlagzeilen durch die Uiguren-Minderheit und deren Konflikte mit der Pekinger Zentralverwaltung).

Zu verdanken ist des Rätsels Lösung der Hartnäckigkeit und der exzellenten fachlichen Vernetzung des Archäologen und Althistorikers Univ.-Prof. Dr. Stefan Pfahl (Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf). Dieser erkannte die Besonderheit des Stückes und stellte den Kontakt mit dem emeritierten Indologen Univ.-Prof. Dr. Harry Falk (Freie Universität Berlin) her. Dieser Spezialist für altindische Sprachen entzifferte die Ritzinschrift als Khar, eine Variante der altindischen Schrift Kharosthi.

Weiters fand er heraus, dass es sich bei diesem Messer um ein Ehrengeschenk für einen Mann namens Tadara handelt. Es liegt daher nahe, dass das im Griff eingeritzte Gesicht den Geehrten darstellt.

Wie kam das Messer nun aus dem Fernen Osten in das römische Ovilava?
Da es sich um eine Geschenkinschrift handelt, wohl kaum durch Handel. Denn die Inschrift macht nur in dem geografischen Raum Sinn, wo sie gelesen und die Sprache verstanden wurde.

Daher ist davon auszugehen, dass der Besitzer das Messer vermutlich auf einer Reise über die Seidenstraße mitbrachte. Eine bemerkenswerte Entfernung: Denn schon die Distanz per Luftlinie beträgt 5.540 Kilometer, zu Fuß sind es mit rund 6.000 Kilometern noch etwas mehr.

Somit ist Wels mit „seinem“ Messergriff nun der westlichste Fundort eines aus der Taklamakan-Wüste eingeführten Stückes und löst somit den bisherigen Rekordhalter Čatalka in Bulgarien mit „seinem“ Schwertragebügel aus einem thrakischen Häuptlingsgrab ab.
Warum das Messer allerdings ausgerechnet in Ovilava gelandet ist, lässt sich nicht feststellen. Der Fundbestand des Stadtmuseums enthält darüber hinaus keine weiteren Funde aus der Region des antiken Niya (auch keine Münzen).

Mit Khar liegt in der städtischen archäologischen Sammlung jedenfalls neben Latein und Altgriechisch die dritte antike Sprache vor. Fundstücke aus der Römerzeit aus Elfenbein befinden sich dort bereits einige: Neben einem Schwertscheidenabschluss ist vor allem der Griff eines Klappmessers mit der qualitätsvollen Darstellung eines Leoparden mit Brustgeschirr, der seine Pranken auf dem Kopf eines Beutetieres legt, zu erwähnen.

Dieses wurde nicht allzu weit weg vom nunmehrigen „Rekord-Messergriff“ auf dem Grundstück der Schulen der Franziskanerinnen (Vogelweiderstraße 2-4) gefunden.

Zu besichtigen gibt es den Sensationsfund im Stadtmuseum Minoriten
Dieses ist auch während der Sommermonate wie üblich Dienstag bis Freitag von 10:00 bis 17:00 Uhr, Samstag von 14:00 bis 17:00 Uhr sowie Sonn- und Feiertag von 10:00 bis 16:00 Uhr geöffnet. Nähere allgemeine Infos (auch zum Stadtmuseum Burg) sind unter wels.at/stadtmuseum zu finden.

Aviso: Römerfest im September
Die Minoriten spielen natürlich auch eine große Rolle beim großen Römerfest des Vereins Römerweg Ovilava, der Stadt Wels und der eww Gruppe am Samstag, 23. September von 10:00 bis 19:00 Uhr in der Welser Innenstadt.

Bei freiem Eintritt gibt es dort unter dem Titel „Neue Funde – Neue Erkenntnisse“ eine Sonderausstellung zu jüngsten Grabungsfunden zu sehen. Präsentiert werden diese von Vertretern des jeweiligen Grabungsteams. Weiters bietet der Museumsstandort für Kinder verschiedene Workshops und eine Spielecke.

Während des genannten Zeitraumes findet am Schießerhofplatz vor dem Museumseingang ein römischer Markt statt. Dort gibt es kulinarische Genüsse nach römischen Rezepten, dazu römischen Wein aus Carnuntum (Bad Deutsch-Altenburg in Niederösterreich) und Bier (gebraut von Mitarbeitern der Fachhochschule Wels) sowie Lebensmittel, die es schon zur Römerzeit gab.

Weiters im Angebot: Schmuck nach antiken Vorbildern, das Prägen von römischen Münzen und eine Schmiedewerkstätte. Am Minoritenplatz bietet der Wissensbus von 10:00 bis 17:00 Uhr die passende Lektüre.

Noch in Ausarbeitung ist der Zeitplan für das Programm Am Zwinger:
Im dortigen Lager der Legio XV Apollinaris werden Vorführungen der Ausrüstung, Exerzieren und Legionärsausbildung, die Vermessung eines Lagerplatzes sowie eine Kriegserklärung mit Anrufung der Götter geboten. 

Stadtrat Dr. Martin Oberndorfer (Wirtschaft und Wissen):
Der Fund zeugt einmal mehr von der Bedeutung des antiken Wels als Handels- und Provinzhauptstadt, die über die Seidenstraße sogar mit dem heutigen China verbunden war. Bei einem Rundgang durch die Straßen von Ovilava hätte man Menschen aus aller Herren Länder und unterschiedlichster Kulturen angetroffen – eine faszinierende Vorstellung. Klar ist, dass die verkehrsgünstige Lage schon damals – so wie auch heute – ein wesentlicher Erfolgsfaktor dieser Stadt war und ist.“

Aktuelle Grabung am Reinberg
Die Studierenden der Paris Lodron Universität Salzburg lernen die Grundlagen des archäologischen Handwerks bei regelmäßigen Lehrgrabungen kennen.

Eine solche findet momentan am Reinberg in der Welser Nachbar-Marktgemeinde Thalheim statt. Das betreffende Grundstück ist seit 1942 im Besitz der Stadt Wels. Die beiden Kommunen unterstützen das Projekt ebenso wie die Oberösterreichische Landes-Kultur GmbH und der Verein Römerweg Ovilava. Bereits vor mehr als 20 Jahren fanden dort Ausgrabungen durch das Stadtmuseum Wels und den Römerverein statt.

2022 wurde die römerzeitliche Fundstelle via Georadar prospektiert. Auf diese Weise konnte ein großer Gebäudekomplex nachgewiesen werden. Die aktuellen Ausgrabungen sollen nun die Funktion und Datierung des Bauwerks ans Licht bringen. Teile der jetzt gefundenen Mauern und Estriche gehören zu Speicherbauten und zu einem Wohngebäude. Die Fundstücke – wie etwa Münzen, Fibeln und Keramikbruchstücke – datieren in das 2. bis 3. Jahrhundert nach Christus.

Fest steht, dass ein enger Zusammenhang mit der römischen Stadt Ovilava (jetzt Wels) am nördlichen Traunufer bestand.

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